Beitrag von Karl Berger, GLG
Einem Hinweis auf der Website von Spektrum der Wissenschaft folgend, stieß ich auf onezoom.org. Dort sind über 2,2 Millionen heute lebende Arten von Lebewesen aufgrund ihrer genetischen Verwandtschaft in einem Baumdiagramm dargestellt, in dessen Verästelungen hineingezoomt werden kann, daher der Name. Lebewesen, das sind Einzeller, Pilze, Pflanzen und Tiere, aber keine Viren.
Die Idee zu Onezoom hatten Wissenschaftler des Imperial College London im Jahr 2012 am Down House, in dem Charles Darwin mit seiner Familie lebte. Inzwischen ist das Projekt ausgereift und steht in der Version 3.5 „Chocolate Chip Starfish“ im Internet kostenlos zur Verfügung. Der merkwürdige Versionsname bezeichnet übrigens die Seesternart Protoreaster nodosus.
Der Baum des Lebens ist die in der ersten Kachel rechts zu sehende fraktale Struktur. Sie entsteht dadurch, dass bei jeder Verzweigung der Ast mit weniger Arten nach links von dem nach rechts gebogenen Hauptast abzweigt. Das ergibt bei über zwei Millionen Arten, die als Blätter dargestellt sind, viele volle Umdrehungen.
Jede Verzweigung ist auch ein historisches Ereignis, bei dem sich die Nachkommen eines gemeinsamen Vorfahren in verschiedene Richtungen entwickelten. An manchen Verzweigungen steht, vor wie viel Megajahren Ma, also Millionen Jahren, das stattgefunden hat. Alles Leben auf der Erde hat sich demnach aus einem einzigen Ursprung entwickelt. Die Allgemeingültigkeit des genetischen Codes ist ein Beleg dafür.
In den Baum des Lebens kommen Sie nicht mit einem Klick darauf, sondern zum Beispiel durch Anklicken eines (übersetzt) „populären Platzes um die Erforschung zu starten“ in der zweiten Kachel links oder von „Start beim Ursprung des Lebens“ dort in der Ecke. Wenn Sie im Baum des Lebens sind, können Sie durch Scrollen hinein- oder herauszoomen und den Bildauschnitt mit der Maus verziehen.
Um Entdeckungen auf eigene Faust zu machen, geben Sie eine Artbezeichnung in das Suchfeld „Search all life…“ rechts oben ein. Die in englischer Sprache gehaltene Website kennt auch viele deutsche Namen. Wenn Sie „Backhefe“ eingeben, erhalten Sie diese als einziges Suchergebnis mit dem wissenschaftlichen Namen Saccharomyces cerevisiae, auf Deutsch Zuckerpilz des Bieres. Nach einem Klick darauf zoomt das Programm automatisch in den Baum des Lebens hinein auf das Blatt der Backhefe. Ein Klick auf das Blatt öffnet den deutschen Wikipediabeitrag über dieses Lebewesen, falls vorhanden. Dort lesen Sie, dass die Backhefe auch Bierhefe heißt und zum Brauen von obergärigem Bier dient.
Welche Hefe untergäriges Bier erzeugt, erfahren Sie hier nicht. Da muss Wikipedia helfen. Wenn Sie die dort gefundene und zu Ehren von Louis Pasteur benannte Hefe Saccharomyces pastorianus ins Suchfenster von Onezoom einfügen, zoomt das System vom aktuellen Blatt weg und auf das andere zu. So ist zu erkennen, wie nahe oder weit eine Verwandtschaft ist. Eine ganz weite Verwandtschaft erleben Sie, wenn Sie etwa „Blaumeise“ eingeben.
Die Suchfunktion von Onezoom ist gewöhnungsbedürftig. Mit dem Suchwort „Hefe“ werden Ihnen außer Hefen Lebewesen angeboten, deren Beiwort mit ‚hefe‘ anfängt, aber nichts mit Hefe zu tun haben. Von Hefen gibt es übrigens mehr als 260.000 Arten, wozu auch die Speisepilze zählen. Suchen Sie spaßeshalber den Steinpilz. Mit dem Suchwort „Meise“ erhalten Sie alles Mögliche, nur keine Blaumeise. Wie schon erwähnt, notfalls hilft Wikipedia oder Google, besser Startpage.de. Meisen sind übrigens Paridae. Davon gibt es überschaubare 53 Arten.
Früher habe ich einmal gelesen, dass die Kohlmeise und die Blaumeise eigentlich dieselbe Art sind, die über die gemäßigte Zone von Asien über die Aleuten nach Nordamerika allmählich von der einen in die andere Form übergeht, wobei sich bei uns die beiden Extreme überlappen. Das trifft nach Onezoom nicht zu.
Und ich habe gelesen, dass der Klippschliefer von allen Landsäugetieren am nächsten mit den Walen verwandt ist. Schauen Sie selbst nach, ob das stimmt.
Hier ein paar Anregungen für die Suche im Baum des Lebens:
– Lebende Fossilien: Pfeilschwanzkrebs, Lungenfisch, Schnabeltier
– Erreger von Krankheiten wie Pest oder Borelliose
– Stammen Robben und Wale von denselben Landtieren ab?
– Darwinfinken Geospiza
– Gibt es Mehrzeller, die weder Pilze, noch Pflanzen, noch Tiere sind?
– Welches Lebewesen steht an der Spitze des Baumes des Lebens?
Karl Berger